: Theos Gipfelsturm
Der Deutsche Fußball-Bund will dem darbenden Osten unter die Arme greifen – mit einem kleinen Reförmchen
LEIPZIG taz ■ Das hatte Kraft gekostet. Werner Hackmann war es deutlich anzusehen. Der Chef der Deutschen Fußball-Liga gähnte breit. Jeder Zahnarzt hätte seine helle Freude am freien Zugang zu Hackmanns Schlund gehabt. Der, wie immer schwer übernächtigt wirkend, war drei Stunden unterwegs gewesen hinauf zum „Ostgipfel“, zusammen mit den „Paten einer Region“, einer rüstigen Wandergesellschaft um den geschäftsführenden DFB-Präsidenten Theo Zwanziger, dessen Stellvertreter und Wegweiser in Ostgefilden, Hans-Georg Moldenhauer, sowie Vertretern von regionalen Vereinen. Carl Zeiss Jena zum Beispiel oder Dynamo Dresden. Der Gipfel der kleinen Beschlüsse fand in der Sportschule „Egidius Braun“ statt, auf dem Gelände von Sachsen Leipzig, umrandet von einer Schrebergartensiedlung. Ein passender Rahmen für diese Veranstaltung.
Wenn es in Deutschland rumort, dann wird ein Gipfel einberufen – reflexhaft. Der Jobgipfel kreißte ja unlängst und gebar einen Kiesel. Der Ostgipfel des Fußballs war ähnlich ertragreich. In einer dreistündigen Beratung konnten sich die Herren am Donnerstag immerhin darauf einigen, zwei Ostvereine von der Oberliga in die Regionalliga aufsteigen zu lassen. Bisher mussten sich die Staffelsieger der ostdeutschen Oberligen in Relegationsspielen um einen Platz balgen. Jena und Neuruppin hätten sich ihre Duelle also sparen können, denn die Neuerung soll bereits für die kommende Saison gelten – sofern das DFB-Präsidium nichts dagegen hat. „Das ist eine sportlich gerechte Entscheidung, Almosen braucht der Osten nicht“, verkündete der halbe Präsident.
Ansonsten trug Zwanziger, der die Aura eines Vikars verströmte, Bedenken und Absichtserklärungen wie eine Monstranz vor sich her. Er wolle mit Regionalpolitikern reden, versprach er, um denen klar zu machen, dass die ostdeutschen Städte nichts dringender brauchten als eine Bundesligamannschaft. Auch sollten die Kommunen ruhig mal ein paar Euro locker machen, damit das Fußballgeschäft floriert. Alle müssten an einem Strang ziehen, natürlich.
Dass Fußball, auch der im Osten, bereits hoch subventioniert ist, wurde in Leipzig nicht erwähnt. Steuergelder fließen in Stadionneubauten. Leipzig hat davon profitiert, derzeit wird eine subventionierte Arena in Magdeburg hochgezogen. Hier und da ist auch schon mal die Stadt mit einer Bürgschaft für einen maroden Verein eingesprungen oder hat diese über Mittelsmänner besorgt. Daran kann es nicht liegen, dass es keinen Ostverein mehr in der ersten Liga gibt und nur ein paar in der zweiten und der Regionalliga, schon eher daran, dass sich das fußballerische Niveau dem wirtschaftlichen angepasst hat.
Ausnahmen sind selten: In den Wagenburgen von Cottbus und Aue rollt der Ball besser als anderswo; der FC Hansa Rostock überzeugte lange Zeit durch maßvolle Vereinsarbeit; Dynamo Dresden ist drauf und dran, sich zu berappeln. Der große Rest lebt von der Erinnerung an die DDR-Oberliga. Viele Klubs mit einer erwähnenswerten Geschichte krebsen unterklassig herum, ein Unding, rufen viele Nostalgiker und suchen nach Auswegen. Moldenhauer auch. Eingriffe in den Fußballmarkt sind freilich heikel; der DFB lehnt sie eigentlich ab. Deswegen wollte die Runde auch nichts vom Schutz der jungen Talente wissen, jener Kicker, die in den sportbetonten Schulen zwischen Chemnitz und Rostock ihre Fertigkeiten erwerben. „Man wird es nicht schaffen, dass der FC Bayern die Finger von einem Talent aus Chemnitz lässt“, sagte Hackmann.
Man müsse also die regionalen Vereine stärken, damit der Spieler in der Heimat bleibt – ein verquerer Vorschlag, denn in der nächsten Zeit wird sich die Situation der Clubs nicht groß ändern. „Die schlafenden Riesen“ (Zwanziger) sind in der REM-Phase, immer noch, es wird allenfalls von der ruhmreichen Vergangenheit geträumt. Ach ja, dies brainstormte die Altherrenrunde auch noch: Länderspiele wolle der DFB verstärkt in den Osten vergeben, eine Manager-Schulung will Hackmann veranstalten, und einige Spiele der U17-EM sollen 2009 in Sachsen und Thüringen stattfinden – wenn das Championat überhaupt nach Deutschland vergeben wird.
Nach dem Ende des Ostgipfels ließ sich Zwanziger dann im 7er-BMW zum Leipziger Flughafen chauffieren. Vorher hatte Pater Theo noch zu seinen Ossi-Schäfchen gesagt: „Der gewissenhafte Prophet wartet den Ausgang der Ereignisse ab.“ Na dann, viel Spaß beim Ausharren!
MARKUS VÖLKER